Nachdem wir die Saison im Oktober mit einer 300k Ausfahrt bei bestem Herbstwetter beendet haben, kreisten natürlich die Gedanken, ob man das noch ausbauen kann oder will.
Da kam das Festive 500 als gern gesehene Gelegenheit. Prinzipiell ist es dabei das Ziel, zwischen Weihnachten und Silvester 500km auf dem Rad zurückzulegen. Und warum auf mehrere Tage verteilen?
Also Stand erstmal das Ziel es als eine Tour zu fahren. Das November- und Dezember-Training wurde darauf ausgelegt. Die Tage mit den meisten Vollmondstunden ausgewählt. Allerdings um es kurz zu machen, es ließ sich am Ende nicht realisieren. Durch die angespannte Lage in den Krankenhäusern und Einschränkungen durch Corona, haben wir davon Abstand genommen.
Aber so oder so stand das Ziel 500k an aufeinanderfolgenden Tagen abzuspulen, im Dezember, im Winter.
Zwei Punkte die ich für die wesentlichen Bestandteile beim Fahren im Winter zähle sind die Erwartungen und die Sicherheit. Zu den Erwartungen: Wenn man grundsätzlich davon ausgeht an schönen Tagen im Winter zu fahren, der wird früher oder später, eher viel früher, enttäuscht. Ich habe mich einfach darauf eingestellt, dass es kalt, dunkel und nass wird, bei jeder Ausfahrt. Die Wahl der Ausrüstung und Bestückung des Rads ist so ausgelegt, dass ich auch bei Dunkelheit und schlechtem Wetter Stunden unterwegs sein kann.
Dies macht es viel einfacher, weil es am Ende dann immer besser wird. Wenn ich davon ausgehe, lange im Dunkeln zu fahren, dann spielt es keine Rolle um welche Uhrzeit ich losfahre. Also passe ich die Zeit so an wie es für mich am besten ist. Das bedeutet ich schlafe aus und Frühstücke mit meiner Familie um ausgeruht und entspannt in die Tour zu gehen. Das ist für mich mit das wichtigste, nicht gehetzt und ruhig zu starten, und da ich eh davon ausgehe im Dunkeln heimzukommen, spielt es keine Rolle ob nun eine Stunde früher oder später.
Zum Thema Sicherheit: Es ist einfach, ich fahre rum wie ein blinkender Weihnachtsbaum. Großflächig reflektierende Besätze an der Hose und Jacke und blinkendes Rücklicht (in Deutschland eigentlich nicht erlaubt). Eine Frontleuchte mit Abblendlicht und Fernlicht, so dass ich auch in der tiefsten Nacht noch auf einsamen Wegen wirklich sehe wo ich hinfahre.
Des Weiteren bedeutet Sicherheit, dass ich meine Position tracke, eine Powerbank dabei habe um Navi und Handy zu laden, eine Ersatzlampe und warme Getränke (Thermo-Radflaschen).
Um Weihnachten in gewohnter Weise mit den Kindern zu verbringen, starte ich am 27. zu einer kurzen 50k-alone Ausfahrt in die 500, noch 450k vor mir.

Am 28. Geht es dann richtig los. 200k+ -alone. Weil es sehr windig werden soll, habe ich die Fahrtrichtung der Route gedreht um auf dem Neiße Radweg Rückenwind zu haben und dann auf dem Rückweg nach Hause, wo ich mehr in bewaldeten Gebiet bin, den Wind zu kreuzen. Soweit die Theorie.
Ich starte wieder ruhig in den Tag, um 10 Uhr geht es los. Die erste Stunde langsam anrollen, um den Körper auf Temperatur zu bringen und das richtige Tempo zu finden. Bloß nicht zu schnell anfahren, es ist kein Rennen auf Zeit sondern Klinometer fressen ist angesagt und es geht darum ein Optimum zu finden aus Geschwindigkeit und eigener Anstrengung. Übermassiges Schwitzen gilt es zu tunlichst zu vermeiden.

Nach 65k erreiche ich die Neiße und mache das erste Mal Halt, kurzes Bild und SMS nach Hause. Das Handy hat von dem Kälteschock beim Herausholen aus der Jacke erstmal die Nase voll und schaltet sich ab. Super, das zum Thema Sicherheit.
Auf dem Neiße Radweg ziehen die Kilometer rasch vorbei, schöne Landschaft, die Bahn ist frei (kein vernünftiger Mensch fährt im Winter Rad…) nur ab und zu, wenn der Wind quer kommt und mich fast vom Damm fegt, steigt der Puls.
Bei 120k heißt es dann wieder Rückweg antreten, runter vom Fernradweg, rein ins Brandenburger Land, gegen den Wind. So viel Schutz wie gedacht, bieten die Bäume doch nicht. Es wird schnell klar, es wird ein bisschen länger dauern. Konnte ich bis jetzt einen guten Schnitt von 27Km/h halten, sinkt er jetzt nur noch. Nicht so gut fürs Ego, sieht auf Strava immer Mist aus… , egal geht weiter.

Ab 150k ist es nun stockdunkel. Eine Thermoflasche ist noch voll, das passt. Aber zwei Brötchen waren doch zu wenig und der Riegel und das Gel sind schon seit Kilometern alle. Man kann die Tage ja nirgends anhalten. Vor allem in Brandenburg, dem schrundigen Land. Kälte, okay kann ich gut ab, ist halt so. Nässe, ja okay, aber Hunger, nichts ist schlimmer. Zum Zeitvertreib erzähle ich mir Geschichten und komme langsam wieder in gewohnte Gefilde zurück.
Nun ist ja Brandenburg, flach, richtig flach. Die einzigen Hügel sind meist Kippen vom Tagebau und ich schaffe es natürlich den einzigen Hügel weit und breit mit 12% Anstieg auf mein Schlussstück zu legen. Also bei 180k geht der Puls nochmal hoch, größtes Ritzel. Aber das geht auch vorbei und mit 202k rolle ich zu Hause ein. Noch 250k, ah schon Halbzeit.
Tag 3, erstmal 50k-alone Beine Locker fahren und gut was Essen, ist ja Weihnachtszeit. Noch 200k.

Tag 4, ich habe Begleitung, wie cool ist das denn? Meine Frau kann mitkommen, mein Bruder passt auf die Kinder auf. Schon früh bei der Fahrt zum Bäcker merke ich, bisschen glatt heute, da müssen wir aufpassen.
Nach 5k liegen wir auf der Nase. Hmmm, uncool, zum Glück nichts passiert, aber die geplante Strecke können wir nicht abfahren. Wir entschließen uns erstmal um unseren heimischen See auf Nebenstraßen, die gesalzen sind, zu fahren. Nach 20k sammeln wir noch einen Begleiter ein, Mensch richtiges Gruppenfeeling. So spielt es eigentlich auch keine Rolle wo man langfährt wenn man schnacken kann bzw. zusammenfährt. 1,2,3 Runden um den See, dann wird es wärmer und es kommt ein bisschen Regen, aber die Straßen sind wieder frei. Timo verabschiedet sich bei 65k und wir beide ziehen noch eine Schleife über einsame Dörfer und nach 90k rollen wir in die Einfahrt. Schatz, ich mach noch eine kleine Runde, das was du heute kannst besorgen ….
Mit 100k steige dann auch ich vom Rad. Alles frisch soweit, nur noch 100k.

Tag 5, 100k-alone. Es ist glatt, die ersten 50k sind nur mit angezogener Bremse zu fahren. Es geht, aber man weiß nie, ob es nun glatt ist oder nicht. Dort wo Schatten ist, ist die Straße mit Raureif überzogen. Ich bleibe den ganzen Tag auf den heimischen Radwegen bei uns im Lausitzer Seenland. Da ist es jedenfalls sicher, was den Verkehr angeht. Das gefährlichste ist, dass einen ein Wildschwein umrennt.
Nach den ersten 50k wird es auch jetzt für mich das erste Mal zäh. Auf dem Rückweg sind die Wege frei und ich schalte in endurance mode. Einfach nur die Kurbel drehen, nicht nachdenken über irgendwas, einfach nur die Beine machen lassen.
Mit 501k beende ich mein Festive 500 Erlebnis. Im neuen Jahr gehe ich das erste Mal seit längerem wieder zur Physio, das letzte Mal war Anfang November. Yvonne kennt meinen Körper wahrscheinlich besser als ich selbst. Sie meint nur, oh die Schultern sind aber wieder ordentlich zu. Aber anders als sonst, viel Rad gefahren, was? Warum man Physiotherapeuten bezahlt verstehe ich nicht, die müssten eigentlich uns Schmerzensgeld zahlen bei der Freude, die man diesen Menschen damit bringt einem selbst Schmerzen zu bereiten. Und es muss ihnen Spaß machen, sonst kann ich es mir nicht erklären, wie man nach 5 Sekunden die Stellen findet, wo es am meisten wehtut.
Sie fragt nur warum ich mir das antue, 500km alleine im Winter Rad zu fahren. Ich habe erstmal keine Antwort. Ich habe mir selbst die Frage nicht gestellt.
Rad fahren ist toll, lange Rad zu fahren ist noch besser. Es ist die beste Art herum zukommen. Man ist relativ schnell um weite Strecken zurückzulegen und langsam genug um etwas zu sehen und entdecken zu können. Am Ende geht es mir glaube ich darum, DEN Moment einzufangen. Was das im Speziellen ist, dass weiß ich am Morgen noch nicht wenn ich starte. Aber dass er mir begegnet, das weiß ich.
Es geht beim Festive nicht darum, eine bestimmte Anzahl an Kilometern abzuspulen, es geht darum, das Radfahren zu zelebrieren. Ich hoffe beim nächsten Festive mehr in Gruppe zu fahren und unterwegs auch einmal anhalten zu können um Kaffee zu trinken und diese Momente zu teilen.
Tschau,
Alexander
P.S. Ich finde es schön, dass in unserer Kona Endurance Gruppe langsam Kontakt zwischen den Sportlern entsteht. Es ist interessant zu sehen, was ihr so macht.
